Moralstufenanalyse
Moralstufenanalyse als Instrument -
am Beispiel Rechtextremismus
von Christian Fischer
vollständiger Text
moralstufenanalyse gwp.pdf
(195,5 KB) vom 15.08.2012
Materialien
moralstufenanalyse - materialien.pdf
(250,2 KB) vom 25.05.2011
Materialheft
materialheft.pdf
(289,6 KB) vom 15.08.2012
Zusammenfassung
Der Begriff „Moralstufenanalyse“ bezeichnet ein Instrument, das der Erschließung, Analyse und reflexiven Beurteilung von Denk-, Handlungs- und Begründungsmustern in Politik und Gesellschaft dient. Den Untersuchungsgegenstand bildet im Anwendungsfall die Volksgemeinschaft als soziales Ordnungskonzept des Rechtsextremismus. An diesem konkreten Beispiel wird untersucht, auf welcher Orientierung die rechtsextreme Weltsicht inhaltlich und moralisch-strukturell aufbaut. Das Moralstufenmodell des Entwicklungspsychologen Lawrence Kohlberg wird dabei in fachdidaktischer Verfremdung als Analyseraster verwendet. Ziel der Moralstufenanalyse ist es, durch die Bestimmung und Reflexion der inhärenten moralischen Orientierung ein tiefergehendes Verständnis des Untersuchungsgegenstandes zu ermöglichen. Insgesamt fördert die Moralstufenanalyse eine kritisch-wertende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Rechtsextremismus. Die Moralstufenanalyse kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Kritik der Schüler hierbei ein systematisches Niveau erreicht.
Auszug
Das Problem
Den Anstoß für die Entwicklung der vorliegenden Unterrichtsidee gab mein Politikunterricht in einer 10. Klasse zum Thema Rechtsextremismus: Im Unterricht wurden zentrale Merkmale einer rechtsextremen Weltanschauung (Rassismus, Antipluralismus, Konzept der Volksgemeinschaft, Autoritarismus) anhand von Programmauszügen der NPD und Informationsmaterial Freier Kameradschaften erarbeitet. Anschließend versuchten die Schüler mit Hilfe verschiedener theoretischer Ansätze (Theorie der autoritären Persönlichkeit, Begriff der relativen Deprivation, Anomie als Folge sozialen Wandels) das Phänomen rechtsextremer Einstellungen zu erklären, indem sie die Ansätze bei der Analyse eines Fallbeispiels konkret anwendeten.
Eine Schülerin äußerte im Verlauf der Unterrichtsreihe wiederholt, dass es ihr nicht möglich sei nachzuvollziehen, dass jemand tatsächlich an rechtsextremes Gedankengut glauben und hierin seine Orientierung finden könne. Ihr war zwar bewusst, dass es dieses gesellschaftliche Problem gibt, aber ein Hineindenken in diese Weltsicht war ihr unmöglich. Auch äußerte sie Unmut, wenn ich im Unterrichtsgespräch versuchte, gesellschaftliche Sachverhalte aus Sicht der Rechtsextremen zu erklären und entsprechend argumentierte. Meiner Einschätzung nach wäre die Schülerin kognitiv sehr wohl zu einer Perspektivübernahme – mit aller gebotenen Distanz und Kritik – fähig gewesen, was ihr ein tiefergehendes Verständnis des Problems ermöglicht hätte. Ihre tief empfundene moralische Ablehnung schien dieser Perspektivübernahme aber im Wege zu stehen. Offensichtlich hat ihr ihre moralische Entrüstung ein Hineindenken von vornherein als unannehmbar oder sogar als illegitim erscheinen lassen. Auch unter den anderen Schülern des Kurses bestand meiner Beobachtung zufolge ein Konsens, dass rechtsextremes Gedankengut im Unterricht mit ablehnender Distanz zu betrachten sei. [...]