Wissenschaftliche Begleitung des Modellprojekts Neue Wege für Jungs
Die wissenschaftliche Begleitung der zweiten Phase von Neue Wege für Jungs wird als Kooperation des Zentrums für Schul- und Bildungsforschung der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg und Dissens e.V. Berlin durchgeführt und hat eine Laufzeit vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2010.
Die wissenschaftliche Begleitung verfolgt mehrere wesentliche Ziele:
- Sie bietet Auskunft über die Nutzung von Jungenprojekten und Service-Angeboten von Neue Wege für Jungs bei teilnehmenden Einrichtungen und Lehrkräften/Multiplikatoren und Multiplikatorinnen und den Jungen selbst.
- Sie dokumentiert die Akzeptanz und die Durchführung von Angeboten für Jungen.
- Sie stellt Motivationen bei Jungen und Lehrkräften/MultiplikatorInnen im Rahmen von Jungenangeboten dar.
- Sie untersucht Faktoren, die sich auf die Durchführung jungenbezogener Angebote im Bereich Berufs- und Lebensplanung förderlich bzw. hemmend auswirken.
Das Projekt Neue Wege für Jungs verfolgt drei Themen-Säulen: alternative Berufswahlorientierung, soziale Kompetenzen und Veränderung von Männlichkeitsbildern. Auf Grundlage der ersten wissenschaftlichen Begleitung der Modellphase von Neue Wege für Jungs sind in den Schulen Blockaden auf zwei Ebenen zu vermuten. Zum ersten zeigen sich Blockaden, die überhaupt eine Realisierung eines Angebots für Jungen verhindert. Kommt es zu einem Angebot für Jungen finden wir eine zweite, konkretere Blockade auf der praktischen Umsetzungsebene von Jungenangeboten: Hier finden wir große Unsicherheiten bezogen auf Fragen der Umsetzung und daraus folgende Unterstützungsbedarfe. Das vorgelegte Angebot für eine wissenschaftliche Begleitung in der zweiten Phase von Neue Wege für Jungs richtet in allen drei Arbeitspaketen den Blick daher konsequent auch auf diejenigen Schulen, Lehrkräfte und Schüler, die keine Angebote rund um den Projekttag anbieten, bzw. wahrnehmen. In der wissenschaftlichen Begleitung werden konsequenter Weise folgende Fragen gestellt:
- Welchen Beitrag leistet Neue Wege für Jungs zu der Entwicklung alternativer Zukunftskompetenzen von Jungen jenseits hegemonialer/tradierter Männlichkeit?
- Inwieweit werden ‚neue Wege für Jungen' beschritten?
- Welche Blockaden existieren, die eine Beteiligung an Angeboten behindern oder fördern?
Arbeitspakete der wissenschaftlichen Begleitung von Neue Wege für Jungs
Arbeitspaket 1 (Evaluation der Angebote):
Zum Projekttag 2009 wird anhand der Modellregionen Dresden, München, Recklinghausen/Herten und Lüchow-Dannenberg/Uelzen, die Verbreitung von Jungenaktivitäten rund um den Projekttag untersucht. Gefragt wird anhand von Telefoninterviews mit jeweils 30 SchuldirektorInnen, welche Angebote zur Jungenförderung existieren und welchen Bekanntheitsgrad die Angebote von Neue Wege für Jungs haben.
Arbeitspaket 2 (Sicht der Jungen)
Ein zweiter Aspekt der Untersuchung fokussiert die Einstellungen von Jungen bezüglich der Angebote zur Jungenförderung. Es werden die Sichtweisen, Deutungsmuster und Handlungspraktiken der Jungen mit teilnehmender Beobachtung und Gruppendiskussionen mit Jungen erforscht. Dies umfasst auch die Thematisierung der Gründe von Jungen, sich nicht an Angeboten rund um den Projekttag zu beteiligen, sowie der Gründe, warum Jungen zwar an Angeboten teilnehmen, nicht aber in soziale Berufe gehen. Im Zentrum steht die Frage nach der Sicht von Jungen auf Zukunftskompetenzen. Dazu werden insgesamt sechs Angebote zur Jungenförderung in den Modellregionen ausgewählt, die untersucht werden.
Arbeitspaket 3 (Ziele der Lehrkräfte/MultiplikatorInnen)
Als drittes wird die Sicht der Lehrkräfte/MultiplikatorInnen im Hinblick auf die Angebote von Neue Wege für Jungs mit Hilfe von ExpertInnen-Interviews analysiert. Im Zentrum stehen Männlichkeitsbilder und die angestrebten Ziele der Lehrkräfte/MultiplikatorInnen. Gefragt wird danach, welche Sicht Lehrkräfte und MultiplikatorInnen haben. Werden ‚neue Wege für Jungs' ermöglicht? Im zweiten Jahr der wissenschaftlichen Begleitung sollen auch LehrerInnen befragt werden, die sich nicht für Jungenangebote engagieren. Leitend wird bei beiden Gruppen von Lehrkräften auch die Frage nach persönlichen Motivationen bzw. nach Gründen für ein Nicht-Engagement sein.
Auswahl der Modellregionen zur wissenschaftlichen Begleitung von Neue Wege für Jungs
Ausgewählt wurden vier kontrastierende Regionen mit jeweils 30 Schulen der Sekundarstufe I, in denen flächendeckend per Telefoninterview Bekanntheitsgrad und Engagement im Rahmen von Neue Wege für Jungs und anderen jungenbezogenen Aktivitäten sowie Hinderungsgründe für ein solches Engagement erhoben werden. Es werden die Daten sämtlicher Schulformen erhoben, die eine Sekundarstufe I umfassen. Die Auswahl erfolgte nach unterschiedlichen Aktivitäten zur Jungenförderung, wirtschaftlicher Situation, Stadt-Land und Ost-West.
München (Bayern): strukturstarke westdeutsche Großstadt, in der Jungendförderung über die Jungenbeauftragten an den städtischen Schulen und weitere jungenbezogene Projekte stark etabliert ist. Beispiel für Auswirkungen einer Förderung durch schulische und städtische Jungenbeauftragte. Untersucht werden die Innenstadtbezirke, da sich in dieser Region besonders engagierte Schulen befinden sowie Schulen, die bereits ein Interesse an jungenbezogenen Projekten geäußert, diese aber noch nicht umgesetzt haben, also auch noch eine Entwicklung innerhalb der kommenden zwei Jahre zu erwarten ist.
Dresden (Sachsen): ostdeutsche Großstadt in wirtschaftlicher Transformation, in der relativ viele Aktivitäten zur Förderung von Jungen stattfinden, u.a. am Girls' Day auch ein separat organisierter Boys' Day. Untersucht werden die Bezirke im innerstädtischen Bereich, da dort besonders an Jungenförderung interessierte Schulen liegen.
Recklinghausen und Herten (Nordrhein-Westfalen): strukturschwaches Mittelzentrum in Deutschland. Die Arbeitslosenquote von Recklinghausen lag im Dezember 2006 bei 12,2 %. Keine schulisch verankerte Jungenförderung, obwohl Nordrhein-Westfalen jenseits der schulischen Ebene eine stark etablierte Jungenförderung und landesweite Strukturen aufweist. Beispiel für eine starke Jungenförderung außerhalb schulischer Strukturen ohne nennenswerte Verankerung auf schulischer Ebene.
Lüchow-Dannenberg/Uelzen (Niedersachsen): ländliche Region, wirtschaftlich im Mittelfeld bei hoher Arbeitslosenquote, im niedersächsischen Vergleich unter den strukturschwächsten Kreisen. Beispiel zur Untersuchung der Auswirkung eines landesweiten „Zukunftstags für Mädchen und Jungen", also der Integration von Girls' Day und jungenbezogenen Aktivitäten in einen berufsfokussierten Tag.