Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Hallesche Abendgespräche im Sommersemester 2025: Körper – Technik – Bildung

Körper, Technik und Bildung stehen seit Beginn der Moderne in einem ambivalenten Verhältnis zueinander. Die Halleschen Abendgespräche im Sommersemester 2025 verfolgen das Ziel, posthumanistische und relationale Konzeptionen der Verschränkungen von Körper, Technik und Bildung als interventive Einsätze in/der Pädagogik zur Diskussion zu stellen. Somit soll es darum gehen, Sichtweisen auf den Körper zu eröffnen, die diesen als grundsätzlich verflochten mit Technik und Bildung ausweisen. Mit der Affirmation relationaler Körperkonzepte erscheint damit auch eine andere Auffassung von verkörperter Differenz als diejenige des Mangels und der Abweichung, nämlich genauso auch der Erweiterung, Kompensation und Optimierung sowie deren Kritik möglich. Wir fragen danach, welche Beiträge Verschiebungen dieser begrifflichen, konzeptionellen und handlungspraktischen Bezüge in pädagogisch motivierten Auseinandersetzungen mit Ungleichheiten und Differenzen, Ausgrenzungen und Grenzziehungen leisten.

Zeit18.00 Uhr (c.t.)
OrtZentrum für Schul- und Bildungsforschung (ZSB),
Philosophische Fakultät III, Haus 31, Untergeschoss (im
Eingangsbereich gerade aus)

Veranstaltungsreihe: Körper – Technik – Pädagogik

14. April

Katarina Froebus: Mit Ungewissheit infiziert – mit Zombies über posthumanistische Bildung nachdenken

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Körper – Technik – Pädagogik“ widmet sich der Vortrag der Frage, welche Herausforderungen posthumanistische Positionen für das Nachdenken über Bildung darstellen. Ausgangspunkt ist die Figur des Zombies, die als Metapher für die Verunsicherung klassischer Subjektvorstellungen und die Grenzen menschlicher Selbstverständnisse dient. Der Vortrag bringt bildungstheoretische Entwürfe angesichts eines fragilen Subjektverständnisses mit posthumanistischen Fragen in Verbindung. Dazu nimmt der Vortrag drei Spannungsfelder genauer in den Blick: (1) die Figur des Zombies als Gegenentwurf zu transhumanistischen Optimierungsträumen (2) die Metapher des Untoten als Radikalisierung bildungstheoretischer Fragestellungen nach dem Tod des Subjekts, (3) Kritischer Posthumanismus und Pädagogik des Untoten als Antworten auf die Verletzlichkeit des Subjekts und die Unverfügbarkeit des Anderen. Der Vortrag diskutiert, inwiefern diese Überlegungen die poststrukturalistische Subjektkritik zuspitzen und welche Spielräume sich daraus für gegenwärtige pädagogische Diskurse ergeben.

Katarina Froebus studierte Pädagogik, Psychologie und Anglistik an der TU Darmstadt und promovierte zum „Untoten Subjekt der Pädagogik“ an der Universität Graz. Sie war als Post-doc im Projekt „Habitus.Macht.Bildung“ beteiligt und ist gegenwärtig an der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum angestellt, wo sie im Bereich der Professionsentwicklung forscht und in der Lehrer*innenbildung für die Primarstufe lehrt. Schwerpunkte Ihrer Forschung und Lehre liegen sowohl in den Bereichen der theoretischen Grundlagen der Erziehungswissenschaft als auch einer machtkritischen Professionalisierung und biographisch-reflexiven Zugängen zu Wissenschaft.

12. Mai

Miklas Schulz: Das auditive Lesen der gesprochenen Schrift. Zu einem inklusionspädagogischen Bildungsangebot

Für einen zielgerichteten Einsatz von Screenreadersoftware im pädagogischen Bereich ist zunächst eine differenzierte Gegenstandsbestimmung derselben wesentlich. Daher soll gefragt werden, was eine solche Sprachausgabe eigentlich im Stande ist (nicht) zu leisten? Wo liegen genau die Unterschiede zum visuellen Lesen? In verschiedenen Studien hat Miklas Schulz (selbst ein Mensch mit Blindheitserfahrung) das Konzept des auditiven Lesens entwickelt. Diese alternative Lesepraxis greift auf einen solchen Screenreader zurück. Dabei zeigt sich, in welchem Maße unsere Sinne ein Trainingsfeld darstellen, das wir alltäglich formen und fordern. So lassen bestimmte Umgangsweisen mit der gesprochenen Schrift des Screenreaders aus einem Hören ein Lesen von Texten werden. In dem Vortrag sollen diese Kriterien (insbesondere eine Zeitregie und der Einsatz einer individuellen Lesestimme) systematisch entfaltet werden. Schließlich lässt sich das Konzept des auditiven Lesens inklusionspädagogisch wenden und erweitern, wodurch perspektivisch leseschwache Zielgruppen über blinde und sehbeeinträchtigte Menschen hinaus profitieren.

Prof. Dr. phil. Miklas Schulz lehrt und forscht als Gastwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Inklusive Pädagogik und Schulentwicklung am Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Angewandte Erziehungswissenschaft der Stiftung Universität Hildesheim. Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören u. a. Behinderung aus Perspektive der Disability/Critical Blindness Studies, Intersektionalität und Disability in Education, Rekonstruktive Methoden der Sozialforschung, insbes. Dispositiv-/Subjektivierungsanalyse sowie leibphänomenologisch informierte (Auto-)Ethnografie.

26. Mai

Jona Oldenburg: Improvisation als forschendes Antworten auf die Unverfügbarkeit (differenter) Körperlichkeit

Dem spürenden, erfahrenden Körper kann sich in der Beschreibung nur mithilfe von gebrochenen Übersetzungen genähert werden. Diese Unverfügbarkeit zu betonen und zu theoretisieren, dient dem Schutz von Fluidität, Unbestimmtheit und Eigensinnigkeit des Körpers. Gleichzeitig begünstigt diese dekonstruktive Bewegung eine Dethematisierung ungleicher Verwundbarmachung. Es kann so in Vergessenheit geraten, dass als anders markierte Körper strukturell andere Erfahrungen machen und diese wiederum verkörpern. Der Beitrag stellt die Frage, wie Körper in Forschung und Pädagogik nicht vereindeutigt (beispielsweise behindert) und trotzdem in ihrer Ungleichheitserfahrung anerkannt werden können. Jona Oldenburg hat sich Körpern und damit verbundenen Spannungsfeldern mit der Suche nach Improvisation im Rahmen eines Forschungsprojekts genähert. Improvisation, unter anderem als spontanes Reagieren auf der Grundlage geübter Wahrnehmungspraxen, wird als antwortender, experimenteller Balanceakt vorgestellt. In der Bewegung am und um den Körper und dem Verschieben von theoretischen Positionen können so unterschiedliche Blickwinkel und Möglichkeiten entstehen, in diesem Dilemma zu agieren.

Jona Oldenburg arbeitet als freie:r Inklusionspädagog:in und Tanztherapeut:in (zuletzt Choreografie touch_taff, Tanzbiennale Heidelberg), Referent:in für Gleichstellung (PH Karlsruhe) und hat 2024 an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg zu „Improvisation und Leibkörper – Inspirationen für eine inklusionsorientierte Pädagogik“ promoviert.

30. Juni

Lars Wicke: Involviert Werden – Affekt als Ausgangspunkt einer relationalen Theorie/Empirie pädagogischer Praktiken

In einer anti-repräsentationalistischen Grundhaltung stellen neumaterialistische Ansätze sowohl infrage, dass Forschungsgegenstände unabhängig von ihrer Betrachtung in der Welt gegeben sind, als auch, dass sie bloße Produkte wissenschaftlicher Konstruktion sind. Forscher*innen lassen sich infolgedessen nicht als distanzierte Beobachter*innen denken, sondern als in ihre Forschungsgegenstände affektiv verstrickte Akteur*innen. Ausgehend davon erscheint es vielversprechend, Affekte von vornherein als wirkmächtiges Moment in Forschungsprozessen anzunehmen und in Bezug auf die Konstitutionsbedingungen der Relation zwischen Forschenden und Beforschtem mitzudenken. Dies ist Ausgangspunkt des Vortrags und insofern der Frage, wie ein neumaterialistisches Verständnis von Affekt einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit pädagogischen Praktiken leisten kann. Erstens entfaltet der Vortrag ein neumaterialistisches Affektverständnis, dass auf materielle, diskursive und praktische Grenzrealisierungen bezogen ist. Zweitens wird gezeigt, wie pädagogische Phänomene immer wieder aufs Neue dadurch generiert werden, dass ich als Forschender im Zuge von Begegnungen während eines Forschungsprozesses affektiv mit ihnen involviert und insofern aufgefordert werde, auf ihre Ansprüchlichkeit zu antworten. Drittens wendet sich der Vortrag auf eingewöhnte erziehungswissenschaftliche Erkenntnispraktiken zurück, die eine Distanzierung von ihren Gegenständen vorsehen und eröffnet Möglichkeiten kritischer Verhältnissetzungen über eine affektbezogenen relationale Theorie/Empirie.

Lars Wicke ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Schulpädagogik/Empirische Unterrichtsforschung an der Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den sozialtheoretischen Grundlagen erziehungswissenschaftlicher Gegenstandstheorien, in der theoretischen und empirischen Arbeit zum Zusammenhang von Erziehung und Affekt sowie zur sozialen Ordnung von Schule und Unterricht. Bezugspunkte seiner Arbeiten sind insbesondere praxistheoretische, phänomenologische und neumaterialistische Forschungsansätze.

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